kurts toolbox: Wie wir auszogen, den Werkzeugkeller zu digitalisieren.

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01. Dezember 2021
/ Torben Ludwig /
Hardware

Eine Geschichte über Visionen, die Kraft des Tüftelns und viele Sprünge in kalte Gewässer.

Es fing alles ganz harmlos an. Unser Technical Director Chris Figge bekam eines Tages eine Nachricht auf YouTube. Dazu muss man wissen: Figge betreibt einen eigenen Channel und postet mehr oder weniger regelmäßig Videos zu Technik- und DIY-Projekten. Die Nachricht stammte von einem Mitarbeiter von „Kurt König“, der Figge fragte, ob er ihm bei einem Problem weiterhelfen könne.

Kurt König ist ein Traditionsunternehmen mit Start-up-Spirit. Es wurde 1932 gegründet, hat seinen Sitz im niedersächsischen Einbeck und vertreibt europaweit Werkzeuge und Baumaschinen. Mit kurts toolbox hat sich das Unternehmen ein interessantes und ehrgeiziges Projekt vorgenommen, das sich im Bereich der Sharing Economy verorten lässt: ein digitalisierter Werkzeugverleih, der es ermöglicht, Motorsägen, Heckenscheren und andere Gerätschaften via App zu mieten. Im Prinzip funktioniert das Ganze wie eine Packstation. Die Werkzeuge befinden sich in einzelnen Fächern eines großen Schiffscontainers. Man lädt sich die App aufs Smartphone, lässt sich anzeigen, welche Werkzeuge verfügbar sind, wählt eines aus und öffnet das dazugehörige Fach elektronisch. Sobald man das Gerät wieder zurückgebracht hat, erhält man eine Rechnung per Mail.

So weit, so clever. Allerdings stieß das Team von Kurt König schnell an seine Grenzen, was die technische Umsetzung betrifft. In seiner Nachricht teilte der Mitarbeiter Figge mit, dass es bisher nicht gelungen sei, die Schlösser der Türen und Fächer mit dem Internet zu verbinden. Das war aber notwendige Voraussetzung dafür, den Schließmechanismus per App zu steuern. Da Figge in seinen Videos gerne Lösungen entwickelt, ging der Mitarbeiter davon aus, dass er ihm helfen könne. Figge hatte Lust – an dieser Stelle kamen wir, Frozen Donkey, ins Spiel.

Viele Ideen, aber wie umsetzen?

Ich war mir erst nicht sicher, ob wir dem gewachsen sind, weil wir mit Hardware-Projekten bisher nicht viel Erfahrung hatten. Figge war zuversichtlicher. Unsere Aufgabe bestand zunächst darin, die Stationen via LTE ans Internet anzubinden. Das ließ sich einfach umsetzen, indem man eine statische IP-Adresse vergibt, an die man Requests schicken kann. Allerdings mussten wir dafür sorgen, dass die Anfragen auch zu den einzelnen Schlössern gelangen. Problematisch war, dass es bis dato keine Hardware gab, die so eine Steuerung über digitale Signale ermöglicht. Figge hatte die Idee, einen den LTE-Router mit einem Arduino zu verknüpfen, der die Steuerung übernimmt. Das klang machbar. Wir schickten Kurt König also ein Angebot und schlugen vor, alles Weitere in einem Meeting zu besprechen.

Als wir Kurt König (Kurt König persönlich!) und sein Team zum ersten Mal trafen, wurde uns schnell klar, dass es zwar einen Business-Plan, viele kreative Ideen und noch mehr Ambitionen gab, das war es dann aber. Ein Entwickler aus Osteuropa arbeitete zu dem Zeitpunkt an der Plattform, sie fanden jedoch niemanden, der das Setup der Fächer in die Hand nehmen konnte. Kurt König hatte bereits Kontakt zu Leuten aufgenommen, die Packstationen für die Deutsche Post bauten. Er sprach auch mit Profis, die feuerfeste Schließfächer für Banken entwickelten. Eine Zusammenarbeit kam aber nicht zustande. Die Firmen waren entweder zu teuer oder schlicht nicht in der Lage, den technischen Aspekt umzusetzen. Es musste also intern eine Lösung gefunden werden.

Billige Chinaschlösser auf dem Küchentisch

Zugegeben: Wir hatten kurz Angst! Wenn Hersteller von Bankschlössern schon an der Aufgabe scheiterten, wie sollten wir das dann schaffen? Hinzu kam, dass uns nicht viel Zeit blieb, eine Lösung zu finden. Kurt König plante nämlich, das Projekt auf dem Mobile World Congress in Barcelona vorzustellen, der bereits in sechs Monaten stattfinden sollte.

Figge behielt die Nerven und schlug vor, dass wir zum Ausprobieren einfache, ein- und ausschaltbare Schlösser aus China kaufen und einen Arduino davor schalten könnten, der die Logik übernimmt. Unser Ziel war es zunächst, alle Schlösser per http-Protokoll ansprechen zu können. So eine Lösung gab es bisher auf dem Markt noch nicht.
Gesagt, getan. Im Prinzip haben wir so lange rumgelötet, bis wir die Funktionalität nachbauen konnten. Plötzlich lagen 16 Schlösser vor uns, die wir über den Browser steuern und mit einem Mausklick auf einmal öffnen und schließen konnten. Eins kam zum anderen und am Ende hatten wir die komplette Technik für eine Station entwickelt.

Aus unserer Scheune wurde eine Elektrowerkstatt

Der Prototyp wurde tatsächlich auf dem Kongress in Barcelona vorgestellt und kam ziemlich gut an. Eigentlich war für uns der Job damit erledigt. Die Hardware funktionierte und konnte verwendet werden. Dann kam Fabian Schuster, der Projektleiter von kurts toolbox, auf uns zu und fragte, ob wir den Prototypen in Serie produzieren könnten. Da mussten wir kurz lachen, denn den Prototypen hatten wir buchstäblich zusammengeschustert. Für eine Serienproduktion fehlten uns sowohl die Mittel als auch das fachliche Know-how. Also boten wir an, den Prozess gerne zu begleiten und Pläne zur Verfügung zu stellen, wenn sie ein professionelles Elektrounternehmen damit beauftragen.

Kurze Zeit später kamen vier riesige Kartons bei uns an, die mit Controllern gefüllt waren – und zwar keine einfachen Modelle aus Holz, wie wir sie vorher fürs Prototyping gebaut hatten, sondern aus Plastik und mit ordentlich geätzten Platinen. Wir wussten nicht so recht, was wir damit anfangen sollten, bis sich kurts erneut meldete und fragte, ob wir nun die richtigen Stationen bauen könnten.

So kam es, dass wir einen Raum unserer Scheune komplett zu einer Elektrowerkstatt umfunktionierten. Darin bauten wir vier oder fünf große Stationen für den Einsatz in Seefracht-Containern und vier kleinere Cityboxen, die einfach via Plug and Play in Betrieb genommen werden können. Gegenwärtig stehen die Stationen in Hamburg, es soll sie aber perspektivisch auch an anderen Standorten geben.

Wie es weitergeht…

Mithilfe von Arduino ist es uns gelungen, ein digitales Schließsystem für kurts toolbox zu entwickeln, das sich auf eine einfache http-Anfrage hin öffnen und schließen lässt und in ein sicheres, internes Netzwerk eingebunden ist. Das hat es so noch nicht gegeben. Darum können wir stolz sagen, wirklich etwas Neues auf den Markt gebracht zu haben.

kurts toolbox zu begleiten, hat viel Spaß gemacht. Es gab einige überraschende Wendungen und Herausforderungen, die wir meistern mussten. Das Projekt hat uns gezeigt, dass wir “Hardware können” und noch jede Menge Potenzial haben, das wir ausschöpfen wollen. Deshalb haben wir Prototyping in unser Dienstleistungsportfolio aufgenommen und seither noch weitere Projekte dieser Art akquiriert.